Veränderung und neue Gewohnheiten: Warum wir blindlings in die Motivationsfalle tappen, und was wir dagegen tun können.

Veränderung: Die Motivationsfalle.

Ich bin 51 Jahre alt, und wenn Sie mich fragen, ob ich sportlich bin, hätte ich das bis vor kurzem eher verneint. Mit dem regelmäßigen Sport funktionierte es bei mir nämlich nie so richtig:

Eine Saison lang ein bis zwei Mal die Woche joggen bis in den November hinein, wenn das Wetter mitspielte, und im folgenden Jahr den Anschluss verpasst. Für den Staffelmarathon angemeldet, um ein Ziel zu setzen. Nachdem ich die neun, elf oder 16 Kilometer irgendwie hinter mich gebracht hatte, geschworen, jetzt wirklich mit einem regelmäßigen Training zu beginnen. Voller Enthusiasmus einen Zehner-Block für ein Fitness Studio gekauft, zwei Mal in der Woche hin, geschwitzt, glücklich und stolz. Bis der alte Freund anrief, ob man nicht spontan auf ein Bier gehen sollte. Ja klar, so ein Bier ist fein. Sehr motiviert, mich auszupowern, war ich an diesem Tag sowieso nicht. Und Freunde sind doch auch wichtig, oder? Dann kam eine Zeit, in der ich meistens vor 19 Uhr nicht aus dem Büro wegkam, den Rest des Abends auf dem Sofa herumknotzte und mich ärgerte, dass ich nicht die Disziplin aufbrachte, noch etwas für meine Gesundheit zu tun.

Dass ausreichend Bewegung für ein gesundes Leben wichtig ist, das weiß ich natürlich und wichtig ist es mir auch, aber wieso schaffe ich es dann nicht, regelmäßig Sport zu betreiben?

Informiert zu sein allein, ändert noch kein Verhalten.

Ich bin in guter (oder schlechter) Gesellschaft, denn nur knapp die Hälfte derer, die sich vornehmen, Sport zu betreiben, setzen ihre dahingehenden Intentionen auch in die Tat um. Was sind nun die Ursachen für dieses als „Intention – Behaviour Gap“ bekannten Phänomens? Warum tun wir nicht das, was wir tun wollen und von dem wir wissen, dass es uns guttut?

Paschal Sheeran von der University of North Carolina at Chapel Hill und Thomas Llewelyn Webb von der University of Sheffield nennen zwei Hauptgründe:

  1. Die Qualität der Intention, die durch drei Faktoren bestimmt wird:
    • Wie konkret und schwierig sind die Ziele, die wir uns gesetzt haben?
    • Worauf basiert unsere Intention? Ist Ihr Wunsch nach Veränderung intrinsisch motiviert, oder geht es um die Erfüllung der Erwartung anderer?
    • Die zeitliche Stabilität unserer Intention. Wie lange hegen wir schon den Wunsch nach Veränderung?
  2. Selbstregulatorische Schwierigkeiten die Intention in die Tat umzusetzen, weil wir entweder gar nicht anfangen, nicht dranbleiben oder nicht zum Ende kommen.

Fast jeder Mensch verspürt den Wunsch, etwas in seinem Leben verändern. Die Analyse der Ergebnisse, wonach Menschen über Google suchen, liefert Hinweise auf die Intentionen und Veränderungswünsche, die sich dann in den alljährlichen Neujahrsvorsätzen manifestieren:

Der Wunsch gesünder zu leben führt die Liste an, gefolgt von den Absichten, sich besser zu organisieren, erfüllter zu leben, mehr zu sparen, mehr Freizeit zu haben, mehr zu reisen und zu lesen.

Alle diese Absichten nach nachhaltiger Lebensveränderung bedingen eine Verhaltensänderung, eine Änderung bestehender Gewohnheiten und die Etablierung neuer, gesunder Gewohnheiten. Dabei haben wir die Tendenz, nach großen, abstrakten und langfristigen Zielen zu streben und wissen meistens nicht, wie wir im Kleinen damit beginnen und die ersten Schritte setzen sollen. Haben wir es aber doch geschafft, den ersten Schritt zu tun, dann laufen wir Gefahr, dass wir blindlings in die Motivationsfalle tappen:

  • Weil wir nicht daran gedacht haben, uns zu überlegen, wie wir unser Vorhaben langfristig absichern können.
  • Weil wir uns nicht im Klaren sind, ob dieser Schritt überhaupt einer ist, den wir wirklich tun wollen oder ob wir vielleicht einfach nur glauben, dass wir ihn tun sollten.
  • Weil wir uns übermotiviert zu ambitionierte Ziele setzen und die Willenskraft unterschätzen, die wir benötigen, um die Motivation hochzuhalten.

Motivation ist ein äußerst komplexes Konstrukt und überaus wichtig, wenn Sie große, einmalige Vorhaben in die Tat umsetzen wollen. Wenn es aber darum geht, langfristige, nachhaltige Verhaltensänderungen zu etablieren, erweist sie sich als ein recht unzuverlässiger Partner.

Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Motivation, wenn Sie Ihr Verhalten nachhaltig ändern wollen.

Was können Sie nun tun, wenn Sie Ihr Leben und Ihr Verhalten ändern wollen und neue Gewohnheiten entwickeln wollen, um Ihre Intentionen in die Tat umzusetzen?

#1 Warten Sie auf die Erleuchtung

Sie warten auf Ihr persönliches Damaskuserlebnis, auf die Erleuchtung oder den Geistesblitz. Auf einmal erkennen Sie, welchen Sinn das Leben für Sie hat, welche Richtung Sie einschlagen müssen, was Sie im Leben erreichen wollen und was sie sinnvollerweise dazu tun müssen.

Manchmal braucht es einen Donnerschlag, um die Muster zu erkennen, denen man nachhängt. Dieses Erlebnis ist sehr effektiv, hat aber einen wesentlichen Nachteil – es ist schlecht planbar, und oft kommt die Erkenntnis auch zu spät. Drastisch formuliert: Wer will schon auf die Diagnose Lungenkrebs warten, um diesmal wirklich mit dem Rauchen aufzuhören?

#2 Ändern Sie Ihre Umgebung

Sie ändern Ihre Umgebung. Am besten eignen sich strukturelle Veränderungen, um alte Gewohnheiten abzulegen oder neue zu bilden, zum Beispiel der Umzug in eine andere Stadt oder ein Jobwechsel. Meistens können Sie nicht Ihre ganze Umgebung ändern, dann helfen kleinere Änderungen: Wenn Sie nur mehr gesunde Lebensmittel im Kühlschrank haben, essen Sie zuhause weniger Fastfood. Wenn Sie Ihr Auto verkaufen, nutzen Sie mehr öffentliche Verkehrsmittel, gehen öfter zu Fuß oder fahren mit dem Rad.

Leider haben Sie nicht immer die volle Kontrolle über Ihre Umgebung. Die Fastfood Bude am Weg zur Arbeit oder die kostenlosen verlockenden Süßigkeiten in der Büroküche können Sie nicht wegzaubern. Und oft reicht es nicht aus, den Hometrainer vor den Fernseher zu stellen, wenn Sie noch Handlungsalternativen haben. Es bewirkt dann nur, dass Sie sich schlecht fühlen, wenn Sie ihm zusehen, wie er langsam verstaubt.

Sehr gut wirkt diese Methode, wenn Sie sie mit der dritten Möglichkeit kombinieren:

#3 Bilden Sie neue Gewohnheiten in winzigen Schritten

Sie etablieren neue Gewohnheiten in kleinen, oder noch besser, in winzigen Schritten. Ins Gehen kommen. Jeden Tag nach dem Aufstehen ein bisschen Sport treiben, ganz wenig, aber dafür jeden Tag.

Darum geht es in den folgenden Artikeln: Nicht nur WAS Sie tun müssen, um Ihre Intentionen in die Tat umzusetzen, sondern auch WIE Sie das bewerkstelligen können.

Eine gute Möglichkeit dazu bietet die Tiny Habits®-Methode von B.J. Fogg, dem Gründer und Leiter des Behavior Design Labs an der Stanford University.

Ich gehe übrigens schon lange nicht mehr ins Fitnessstudio. Ich fand heraus, dass es für mich andere und leichtere Möglichkeiten gibt, mich regelmäßig und ausreichend zu bewegen und ein wenig Krafttraining zu betreiben, und etablierte ein paar Gewohnheiten für tägliche Liegestütze und Work-outs auf der Rudermaschine.

Neue Gewohnheiten zu bilden, ist eine Fähigkeit, die Sie lernen können.